BLACKOUT PROBLEMS

Ein freundliches Gewitter, gibt es sowas? In Zeiten des Klimawandels und gehäufter Naturkatastrophen sind solche Vergleiche vielleicht etwas gewagt. Was ich damit meine ist, ich fühle mich im positiven Sinne mitgenommen und durchgewirbelt. Ich habe einem faszinierenden Naturschauspiel beigewohnt, habe Kräfte wirken gesehen, die ich im Alltag selten oder nur in wesentlich geringerer Dosierung wahrnehmen kann.

Zurück auf Anfang: Beim Eintreten in das Landesmuseum Mainz kommt mir das erst mal recht skurril vor. Durch ein typisches, cleanes und kühles Museumsfoyer gelangen die Konzertbesucher:innen unter dem aufmerksamen Blick einer Museumsaufsicht in einen von Gebäuden und Mauern umgebenen Innenhof. Dieser liegt mit hellem Kies ausgestreut und mit ein paar Bäumen bewachsen, freundlich und sauber vor uns. Das ist es also, das ,,Fenster zum Hof“-Open Air. Beschaulich, in atmosphärischer Hinsicht eher moderner Biergarten als Musikfestival. Und das in Erwartung eines Konzerts von Blackout Problems als ein spannungsgeladenes, hoch konzentriertes Ereignis mit brodelnder, aber gemeinschaftlicher Grundstimmung.

Sperling eröffnen den Abend

© Fabian Blesius

Zunächst sind aber Sperling am Zug: Fließend gerappter nachdenklich-lyrischer Text trifft auf zuweilen brachiale Rockmusik, trifft auf perfekt arrangierte Cellosequenzen. Diese Texte, diese Inhalte, diese Musik! Micha meinte wiederholt und völlig aus dem Häuschen: ,,Wie können so junge Menschen so gut in Worte und in Musik packen, was ich fühle!?“ Seit im Jahr 2020 die Single ,,Mond“ erschien, sind Sperling Dauerbrenner in diversen Schrägfunk-Sendungen. Und nun zum ersten Mal endlich live, erfüllen Sperling schlicht alle Erwartungen und die waren hoch angesetzt. Nicht zuletzt ist ein entscheidender Live-Faktor die starke Präsenz von Frontmann Jojo. Unbedingt wieder und hoffentlich auch mal in Karlsruhe!

Das Publikum ist nun also perfekt vorbereitet für den Auftritt von Blackout Problems. Und die eröffnen knallhart mit ,,Murderer“. Sofort sind alle da, alle dabei. Faszinierend und ein klitzekleines bisschen auch erschreckend, wie gerne ich Mario jedes Wort glaube und (fast) alle Konzertbesucher:innen bereitwillig alles machen, was Mario sagt. Er möchte nichts Abwegiges, das sei an dieser Stelle unbedingt klargestellt! Und er verlangt nicht, sondern er bittet darum: ,,Ich brauche euch!“

Es ist vermutlich eine Binsenweisheit, dass vom Publikum Energie zurückkommt, wenn die Band Energie gibt. Doch nicht jede Frontperson hat eine solche Strahlkraft wie sie hier zutage tritt. Und in dieser Konstellation unterstützt die Band Marios Aktionen hundertprozentig und trägt sie mit. Wenn wir im Bild des Gewitters bleiben, sind die Band und das Publikum die unterschiedlich geladenen Teilchen, die aufeinander treffen und Mario ist der Blitz, in dem sich die dabei entstehende Energie entlädt. Dabei scheint sich Mario mehrfach zu duplizieren, denn er ist gefühlt überall gleichzeitig: Auf der Bühne, mitten im Publikum, im Dialog mit seiner Band, irgendwo hinter dem Publikum, auf (!) einem Baum gegenüber der Bühne.

Mario – gefühlt überall gleichzeitig

© Bernhard Schinn

Zum Thema Spannungen und Entladung fällt mir der Begriff Katharsis ein. Gemeint ist, dass Menschen sich innerer Spannungen entledigen können, indem sie sich emotional, allein durch mitfühlen, ausleben.

Wenn Kunst kathartisch wirken kann, dann auf diese Weise. Hier wird ein Wirgefühl kreiert, das ermutigt, mit den besungenen, keineswegs leichten Themen umzugehen. Gleichzeitig wird eine Stimmung erzeugt, die hoffen lässt, dass wir es gemeinsam schaffen können, menschlich zu bleiben. Und dass wir trotz unserer Verletzlichkeit und all unserer Schwächen fähig sind, gemeinsam Krisen zu meistern.

Zum Abschluss gibt es mit dem Song ,,Whales“ einen Vorboten für das im Februar 2024 erscheinende Album RIOT.

Wenn sich der Sturm gelegt hat, also das Konzert vorbei ist, wenn der Staub langsam zu Boden sinkt und der Schweiß trocknet, haben wir das Gefühl, etwas Surreales erlebt zu haben und wir wollen es unbedingt wieder erleben!
Klingt abgehoben? Wir sind auch abgehoben, wir sind geflogen! Waren high ohne high zu sein.

Mal sehen, wohin uns das neue Album tragen wird. Zum Release der neuen Platte gehen Blackout Problems auf Tour. Verpasst sie nicht, wenn sie in eurer Nähe sind. Und egal, was der Wetterbericht sagt, macht euch auf ein Gewitter gefasst!